Haushaltsrede 2015

Haushaltsrede 2015 der Vorsitzenden der Fraktion DIE LINKE im Rat der Stadt Wülfrath

Ilona Küchler

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,

die „fünfte Jahreszeit“ ist angebrochen. Und jetzt – meine Damen und Herren – spreche ich weder von religiösen Brauchtumszeiten noch von Wein- oder Bierfesten. Ich beziehe meine Worte vielmehr auf die Zeit, in der auf allen kommunalen Ebenen Haushalte verabschiedet werden.

Im Zuge dessen – und unabhängig von Parteizugehörigkeit oder dem zu bekleidenden Amt – wird „alle Jahre wieder“ die mangelnde Einhaltung des Konnexitätsprinzips beklagt. Zurecht wird kritisiert, dass die von Bund und Land übertragenen Aufgaben zu einem finanziellen Kraftakt für die kommunale Ebene geworden sind.

Wenn die Vertreter der Parteien, die auf Landes- und Bundesebene in Verantwortung sind, dieses Klagelied anstimmen, komme ich dann doch ins Grübeln. Denn es sind ja nicht nur die Wülfrather Kolleginnen und Kollegen, sondern Vertreter aller kommunalen Ebenen - landauf, landab -, die gleichsam Kritik üben. Es sind aber auch genau diese Vertreter, die in ihren eigenen Reihen ihren Landtags- und Bundestagsabgeordneten mehr Respekt gegenüber der kommunalen Ebene abverlangen müssten, der letztendlich in eine tatsächliche Stärkung der Kommunalfinanzen mündet.

Neben einer Soforthilfe für Kommunen – hier fordert DIE LINKE auf Bundesebene eine kommunale Investitionspauschale in Höhe von 3 Milliarden Euro - brauchen die Kommunen mittelfristig und langfristig stabile und höhere Einnahmen. Damit nicht nur die Pflichtaufgaben, sondern auch die freiwilligen Aufgaben der Kommunen erfüllt werden können, bedarf es der Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftssteuer.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wenn wir hier vor Ort grundlegend etwas ändern wollen, reicht es nicht, nur kommunalpolitisch Einfluss zu nehmen. Die desolate Finanzsituation der Kommunen lässt sich dauerhaft nur durch entsprechende Gesetzesänderungen auf Landes- und Bundesebene ändern.

Wie schwierig die Situation vor Ort ist, wurde in den vergangenen Wochen deutlich.

Mit Einbringung des Haushaltes – haben Sie Herr Ritsche – noch von einem ausgeglichenen Planentwurf gesprochen. Kurze Zeit später sind wir dann „Achterbahn gefahren“. Erst ging es langsam bergauf und das Defizit erreichte auf dem Höhepunkt des Scheitels, die „1-Millionen-Euro-Marke“. Zumindest rechnerisch haben wir die Kurve gekriegt und fuhren - bildlich gesprochen - wieder dem Ziel entgegen. Angekommen sind wir dennoch nicht. Das Defizit liegt derzeit bei ca. 350.000 €.

Ich vermute mal, dass Sie bei der Haushaltseinbringung an diesem Punkt schon geahnt haben, dass nicht nur Ihnen als Kämmerer harte Zeiten bevorstehen. Denn wer Ihnen genau zugehört hat, hat vernommen, dass Sie von besonderen Herausforderungen gesprochen haben.

So sprachen Sie u.a. den Personaletat - der 24 % der Aufwendungen ausmacht - und die damit verbundene Personalsituation, an.

Und während Sie, Herr Ritsche, seinerzeit eine Statistik zur Überstundenentwicklung der Jahre 2011, 2012 und 2013 mit der Erklärung, der hohe Krankenstand führe zu der erhöhten Arbeitsdichte, präsentierten, kommentiert unsere Fraktion diese Statistik wie folgt:

Um statistische Auswertungen in puncto Krankenstand und Arbeitsdichte vorzunehmen, braucht es mehr als ein Diagramm, welches die Überstundenentwicklung aufzeigt.

Gerade in diesem Bereich gibt es zahlreiche Auswertungen auf die ich gerne zurückgreife. Betrachtet man z.B. die der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin aus dem Jahr 2012 oder die der Bertelsmannstiftung, erfährt man, dass mittlerweile bundesweit rund 53,5 Millionen Krankheitstage jährlich auf psychische Erkrankungen zurückzuführen sind.

Herz-Kreislauferkrankungen, Magengeschwüre, Migräne usw. werden in diesem Zusammenhang häufig als körperliche Spätfolgen diagnostiziert. Diese Entwicklung steht eng im Zusammenhang mit der veränderten Arbeitswelt – auch im öffentlichen Dienst. Schwierige Entscheidungen treffen, Fähigkeiten optimal einsetzen, flexibel auf Veränderungen reagieren gehört zum Alltagsgeschäft. Dazu kommt der technische Fortschritt. Neue Kommunikationstechnologien sorgen für erhöhte Anforderungen. Immer mehr und immer schneller sollen Informationen und Aufgaben verarbeitet und bewältigt werden. Und ich erinnere an die Personalsperren in der Verwaltung. Die Arbeit wurde nicht weniger, sondern komplexer und sie wurde auf weniger Schultern verteilt. Eine Rechnung die nicht aufgehen kann.

Es wird also Zeit sich vom Irrglauben zu verabschieden, mit Stellenabbau könne man die Ausgabenseite „schön rechnen“. Beschäftigte des öffentlichen Dienstes gewährleisten mit ihrer Leistung die öffentliche Daseinsvorsorge und dies muss nicht nur entsprechend honoriert werden. Auch im Verhalten der Führungsspitze sowie der Politik muss dieser Respekt gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zum Ausdruck kommen.

Womit ich bereits an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen möchte, mich im Namen der Fraktion DIE LINKE bei allen zu bedanken, die tagtäglich dazu beitragen, dass wir als Kommunalpolitiker unser Mandat wahrnehmen können. Sie bereiten Sitzungen vor, erstellen Vorlagen, hören uns geduldig zu und beantworten unzählige Fragen. Vielen Dank hierfür.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Sporteinrichtungen, Vereine, die Medienwelt, das Schwimmbad,kulturelle Einrichtungen und Veranstaltungen sowie die Kinder- und Jugendarbeit machen die Lebens- und Bildungsqualität einer jeden Stadt aus.

Lassen Sie mich mit der Bildungsqualität beginnen. Die finanzielle Situation und der Bildungsstand der Eltern dürfen nicht über die Zukunft der Kinder entscheiden. Auch wenn unsere Fraktion es begrüßt, dass Wülfrath 180.000 Euro aus dem dritten Investitionsprogramm 2015 – 2018 zum Ausbau der Unter-Dreijährigen-Betreuung erhalten soll, täuscht dies nicht über die Tatsache hinweg,dass Wülfrath – trotz Nachsteuerung im März dieses Jahres - hohe Kita-Gebühren erhebt.

Kindertageseinrichtungen sind Orte des sozialen Lernens und sollten zum Abbau sozialer Ungleichheit beitragen. Voraussetzung hierfür ist, dass auf allen politischen Ebenen respektiert wird, dass Bildung eine gesellschaftliche Aufgabe ist, die eben nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein darf.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,

wer in Bildung investiert, investiert in die Zukunft,

wer gute Betreuungsangebote schafft, sorgt für mehr Lebensqualität.

Letztere wird – wie bereits erwähnt – von vielen Faktoren beeinflusst.

Zum Beispiel von kulturellen Angeboten. Nehmen wir also den Zeittunnel – dieser wird bekanntlich seit langem kontrovers diskutiert. Wer sagt, die Schließung des Zeittunnels wäre kein Verlust für Wülfrath, der hat nicht verstanden, das Kultur nicht nur das Leben des Einzelnen beeinflusst, sondern auch die Grundlage einer lebendigen Demokratie darstellt. Kulturelle Angebote sind Teil eines bildungspolitischen Auftrages und diesem wird mit „Führungen durch die Erdgeschichte“ und naturkundlichen Vorträgen Rechnung getragen.

Mit dem nötigen Respekt, dem richtigen Konzept, gemeinsamen Anstrengungen und dem politischen Willen ist ein Überleben des Zeittunnels möglich.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Fraktion DIE LINKE respektiert die Tatsache, dass das größte Problem der Kommunen die bestehende strukturelle Unterfinanzierung darstellt. Die dringend benötigte Reform der Gemeindefinanzierung wurde von Schwarz-Rot in Berlin erst einmal wieder auf Eis gelegt. Hier haben wir so schnell also nichts zu erwarten.

Stellt sich die Frage, wie sich die Einnahmeseite verändern lässt.

Ohne Abgaben, Steuern oder Gebühren zu erhöhen!

Ohne die Bürgerinnen und Bürger zusätzlich zu belasten!

Auskömmliche Finanzzuweisungen – habe ich bereits betont - sind nicht in Sicht. Bleiben - als dritte Einnahmequelle - nur die Steuereinnahmen. Die Gewerbesteuer stellt dabei die wichtigste Einnahmequelle der Kommunen dar. Viele Kommunen in NRW haben sich die Tatsache, dass das Finanzverwaltungsgesetz (FVG) den Kommunen ein Mitwirkungsrecht im Besteuerungsverfahren einräumt, zu Eigen gemacht.

Im wohlverstandenen Eigeninteresse haben diese eigene Steuerprüfer angestellt, um so auf die Festsetzung einer angemessenen Gewerbesteuer pochen zu können. Bis dato haben alle Kommunen, die diesen Weg gegangen sind, ihre Gewerbesteuereinnahmen erhöhen können. Klug beraten ist der, der diesen Weg ebenfalls beschreitet.

Sehr geehrte Damen und Herren,

wer vor nichts Respekt hat, der verliert jedes Bewusstsein für die Folgen seines Handelns.

Kommunale Entscheidungsprozesse verlangen Weitsicht. Bis jetzt wurde in den vergangenen Jahren jedoch nur Folgendes erreicht:

Stadthalle und einziger zentral gelegener Veranstaltungsort – passé.

Die zentrale Lage des Rathauses wurde für ein Dienstleistungsgebäude, das uns zuerst hohe Miet- und dann Erwerbskosten bescherte, aufgegeben.

Spielflächen wurden veräußert.

Jugendhaus und Grundschule in Rohdenhaus aufgegeben.

Sportplatz in Düssel – adé. Statt Treffpunkt für sportliche Aktivitäten Baugelände.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Lebensbedingungen vor Ort zu verbessern und die Abwärtsspirale in Stadtteilen aufzuhalten, wird so nicht gelingen. Für uns ist auch in diesem Haushalt eine Umkehr dieser Vorgehensweise nicht ersichtlich. Daher lehnt die Fraktion DIE LINKE den Haushalt ab.

X

Right Click

© copyright siehe Impressum