Haushaltsrede 2016

Haushaltsrede 2016
der Vorsitzenden
der Fraktion DIE LINKE
im Rat der Stadt Wülfrath
Ilona Küchler

 

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,

 

am 29.September haben Sie, Frau Dr. Panke und Sie Herr Ritsche, den Haushalt 2016 eingebracht. Seit diesem Tag beschäftigt sich die Politik verstärkt damit, an welchen Stellschrauben gedreht werden kann oder sollte. Welche Maßnahmen dürfen geschoben werden, welche dulden keinen Aufschub? So wurde z.B. die Erneuerung der Nahwärmeleitung (Kostenpunkt 70.000 Euro), an welche die ehemalige Hauptschule angeschlossen ist, auf das Jahr 2018 vertagt. Fraglich – da diese Maßnahme noch im vergangenen Jahr als dringlich eingestuft wurde.

Senkung von Kita- oder OGATA-Gebühren bedeuten Mindereinnahmen und verlangen von der Politik einen Deckungsvorschlag. Kulturangebote erhalten – geschweige denn – ausbauen, ist mit Mehrausgaben verbunden. Also muss ein Deckungsvorschlag her. Zudem wollen sich weder Verwaltung noch Politik erneut den Zwängen einer Haushaltssicherung unterwerfen.

Verständlich, aber ein Teufelskreis, der sich nur auf Landes- und Bundesebene durchbrechen lässt.

Einigkeit herrscht bei allen kommunalen Vertretern, dass die Kommunen strukturell unterfinanziert sind.

 

Verantwortlich für diese Fehlentwicklung ist in erster Linie die Bundespolitik. Denn dieser scheint der Mut zu fehlen, die Einnahmen durch ein sozial gerechteres Umsteuern zu erhöhen. Fakt ist, dass sowohl das Land als auch der Bund für solide Kommunalfinanzen Verantwortung tragen. Stattdessen wurde das Aufgabenspektrum der Kommunen – vor allem im sozialen Bereich - stetig erweitert.

Im Bereich der Sozialleistungen ist der Anstieg der kommunalen Ausgaben ungebrochen – aktuell zahlen die Kommunen rund 45 Milliarden Euro. Eine Entlastung hat es bislang nur bei den Kosten für die Grundsicherung im Alter gegeben. Besorgniserregend ist auch der Stau bei den Investitionen.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

„Wer den Mund spitzt, muss auch pfeifen! Soll heißen: Dass die Parteien - die vor Ort diese Misere beklagen, auch dafür sorgen müssen, dass auf Landes- und Bundesebene endlich die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die Kommunen wieder handlungsfähig werden!

 

Wenn im Haushalt kein Geld mehr für freiwillige Leistungen vorhanden ist, hat dies Folgen für das Lebensumfeld aller und geht zu Lasten von sozial Benachteiligten, die auf öffentliche Leistungen angewiesen sind. Und liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht zu Lasten der Handlungsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung und führt zu Demokratieabbau.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Gewerbesteuer stellt die wichtigste originäre Einnahmequelle der Kommunen zur Bestreitung ihrer öffentlichen Aufgaben dar. Umso wichtiger wäre es gewesen, im vergangenen Jahr unserem Antrag auf Einstellung eines kommunalen Steuerprüfers zu folgen.

Die Überprüfung von Unternehmen durch das Finanzamt findet nur sehr unregelmäßig - etwa alle 13 Jahre - statt. Nachforderungen können jedoch nur für vier Jahre geltend gemacht werden, so dass mögliche Steuerschulden von durchschnittlich 9 Jahren nicht eingetrieben werden können.

 

Im Gegensatz zu Gewerbesteuerrückzahlungsansprüchen. Dies haben wir im Sommer schmerzlich erfahren. Als uns der Kämmerer mitteilte, dass er aufgrund von Rückerstattungen aus Gewerbesteuerzahlungen eine Haushaltssperre verfüge. Da der Anspruch aus dem Jahr 2004 resultiert, entstand ein überplanmäßiger Zinsaufwand von über 1,3 Mio. Euro. Eine Forderung, die über zehn Jahre alt ist und dennoch nicht verjährt. Eine Forderung, die manche Planung durcheinander brachte und die Politik zu einer „Atempause“ zwang.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

in den letzten Wochen erfährt der soziale Wohnungsbau Renaissance. Jüngst verkündete Minister Groschek: „Sozialer Wohnungsbau wird so rentabel wie frei finanzierter.“ Und will auch durch Lockerung der Bauvorschriften mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen. Letzteres sehen wir durchaus kritisch.

 

Dennoch begrüßt DIE LINKE, dass der Antrag der SPD auf Entwicklung eines Handlungskonzeptes zur Beseitigung des sich „anbahnenden Engpasses“ von preiswertem Wohnraum einstimmig angenommen wurde.

 

Menschen mit wenig Geld müssen schon lange einen überdurchschnittlich hohen Anteil ihres Einkommens für Mieten und Nebenkosten aufbringen und sind deshalb auf günstigen Wohnraum angewiesen. Aber auch die kommunale Familie wird belastet. Ist kein günstiger Wohnraum vorhanden, steigen die Kosten der Unterkunft, die wir indirekt über die Kreisumlage tragen. Zudem sind immer mehr Menschen auf finanzielle Unterstützung in Form von Wohngeld angewiesen. Insofern ist es sinnvoll in den sozialen Wohnungsbau zu investieren statt privaten Wohnraum zu subventionieren.

 

Bedauerlich ist, dass erst mit der Flüchtlingswelle das Thema sozialer Wohnungsbau neu belebt wurde. Denn tatsächlich – so der Deutsche Mieterbund NRW – werden bereits seit 2010 jährlich 60.000 bis 80.000 neue Wohnungen gebraucht. Auf Bundesebene kritisierte der Mieterbund, dass es viele Ideen und wenig Taten gibt, um aktiv gegen die steigenden Mieten und gegen den Wohnungsmangel vorzugehen. Und auch in Wülfrath existiert eine Bewerberliste für Wohnungen mit bestehender oder bereits abgelaufener Zweckbindung.

 

Um Abhilfe zu schaffen bedarf es einer verpflichtenden Quote für geförderten, preisgebundenen Wohnraum - die bei Bebauungsplänen zur Errichtung von Wohngebäuden und beim Verkauf städtischer Grundstücke, die für Wohnbebauung vorgesehen sind – zum Tragen kommt. Städte wie Köln, Düsseldorf oder Münster haben sich hier bereits festgelegt.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

gemeinsam haben wir ein Konzept zur Unterbringung, Begleitung und Betreuung von Asylbewerbern und Flüchtlingen erarbeitet. Haben Mindeststandards gesetzt, die es nun gilt, sukzessive umzusetzen.

 

Positiv hervorheben möchte unsere Fraktion, dass es in Wülfrath – so scheint es – einen Konsens gibt, die Flüchtlingskrise nicht zu instrumentalisieren oder gar Ängste zu schüren. Dies ist keinesfalls der Verdienst der Politik, sondern hier gebührt unser Dank allen Wülfratherinnen und Wülfrathern, die auf vielfältige Art und Weise unterstützend wirken. Dank sei auch den Initiatoren und Unterstützern des Willkommensfestes gesagt. An jenem Tag im Oktober hat Wülfrath sich im wahrsten Sinne des Wortes von seiner „sonnigen Seite“ gezeigt.

 

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

wir alle begrüßen ehrenamtliches Engagement. Wir alle sprechen mit Bürgerinnen und Bürgern, fragen, „wo der Schuh drückt“, versprechen uns zu kümmern und laden ggf. zu Bürgerinformationsveranstaltungen ein.

 

Unser Bürgerbeteiligungsverständnis beinhaltet jedoch, das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern so zu gestalten, dass sie wirklich mitentscheiden, mitwirken und teilhaben können. Bürgerinnen und Bürger, Politik und Verwaltung als gleichwertige Partner zu begreifen und gemeinsam zu agieren. Unser Ziel sollte es sein eine andere politische Kultur des Umgangs miteinander zu entwickeln. Nur so lässt sich erreichen, dass Bürgerbeteiligung kein „Selbstzweck“ ist, sondern Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft.

 

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, dabei geht es auch um die Abgabe von Macht an die Bürgerinnen und Bürger.

 

Einen wichtigen gesellschaftlichen Stellenwert hat die Partizipation von Kindern und Jugendlichen an kommunalen Entscheidungsprozessen. Wenn Sie, Frau Bürgermeisterin, in Ihrer Rede - von einer Stadt im Umbruch – sprechen, dann sollte dieser Umbruch sich auch hier bemerkbar machen. Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, von einer familienfreundlichen Stadt sprechen, dann sollten wir auch darüber reden, wie eine aktive Teilhabe realisiert werden kann. Denn eine familienfreundliche Stadt beinhaltet viele Faktoren. Ein kindgerechtes und familienfreundliches Umfeld, ein gutes Bildungsangebot, sinnvolle Freizeitmöglichkeiten, Begegnungsstätten, aber eben auch Bürgernähe und Partizipation.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

zur qualitativen und quantitativen Verbesserung des Angebotes einer Stadt, gehört sicherlich eine strategisch gut durchdachte Parkraumbewirtschaftung. Bei der Frage, ob die Überarbeitung des aktuellen Konzeptes Kosten in Höhe von 30.000 Euro, für ein externes Gutachten, rechtfertigen, scheiden sich jedoch die Geister. Die Umgestaltung ist noch nicht vollzogen, da steht das, was am 22. September auch mit Stimmen von CDU und SPD beschlossen wurde, auf dem Prüfstand. Die Tatsache das Parken in Einkaufszonen möglichst kostenlos sein sollte – vor allem wenn man die Innenstadt beleben möchte - haben sich weit größere Städte als Wülfrath zu Eigen gemacht. Allein aus diesem Grund ist das Gedankenspiel der SPD – die Erhebung von Parkgebühren in Betracht zu ziehen - nicht nachvollziehbar.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

auch ein paar Worte zur Personalsituation in Wülfrath kann ich Ihnen nicht ersparen.

 

 

Wie in vielen Kommunen ist die Situation angespannt. Der Kampf um gutes Fachpersonal hat auch in den öffentlichen Verwaltungen begonnen. Doch Tarifbindung und Besoldung bieten bislang im Vergleich zur privaten Wirtschaft wenig Spielräume und Anreize. Entsprechend muss sich auch Wülfrath neu ausrichten – auch in Hinblick auf die neue Entgeltverordnung, die ab 2016 völlig neue Akzente setzen wird.

 

Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt Wülfrath möchten wir auch in diesem Jahr unseren herzlichen Dank für Ihre Leistung aussprechen. In diesem Jahr haben Sie uns gezeigt, dass Sie nicht hadern, wenn es gilt zusätzliche Aufgaben zu meistern und haben der Verwaltungsspitze bei der Bewältigung der Flüchtlingsunterbringung den nötigen Rückhalt geboten.

 

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,

sehr geehrter Herr Ritsche,

 

die Verabschiedung des Haushaltes ist die wohl wichtigste Beschlussfassung des Rates, entsprechend schwer hat sich unsere Fraktion die Entscheidung gemacht. Wir erkennen durchaus eine positive Entwicklung. Dennoch widerstrebt es uns, einem Haushalt zuzustimmen, der u.a. Familien durch die Erhebung von Gebühren für frühkindliche Bildungseinrichtungen belastet und sich dem Sparzwang beugt, statt in die Zukunft zu investieren.

 

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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